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Junge Ärztin untersucht Röntgenbilder bei Online-Konsultation vom Heimbüro aus

TELAV – Televersorgung im Landkreis Vechta

Aufregung in der Pflegedienststelle: Am Morgen hat sich eine Fachkraft krankgemeldet. Unter Zeitdruck müssen die Touren nun umorganisiert werden, um alle Patienten möglichst in Planzeit zu versorgen. Eine Herausforderung. Denn es fehlen Fachkräfte und die Hilfskräfte dürfen bestimmte Aufgaben nicht übernehmen. Im Laufe des Vormittags klingelt ununterbrochen das Telefon. Angehörige beschweren sich, dass die Pflegekraft zu spät war, oder wünschen sich eine Pflegeberatung. Diese müssen auf Morgen vertröstet werden. Dann meldet sich auch noch das Krankenhaus mit der Entlassung einer neuen Patientin. Auch diese soll bereits ab übermorgen in eine Tour aufgenommen werden. Die Unterlagen folgen per Mail; müssen dann aber vor Ort ausgedruckt werden, um sie dem Hausarzt zu faxen.

Zur gleichen Zeit an einem anderen Ort: Herr Müller wartet auf die Pflegekraft. Die kommt ohne Info später. Seine demente Mutter ist aus ihrem Rhythmus. Sein Anruf beim Pflegedienst, um sich zu beschweren, läuft ins Leere. Auch seinem Wunsch nach einer Pflegeberatung kann die Pflegedienststelle nicht direkt nachkommen. Er hat Verständnis, aber eben auch selbst noch viele andere Aufgaben, die er erledigen muss. Er ist aber froh, überhaupt einen Dienst zu haben.

So oder so ähnlich sieht der Alltag in der Pflege an vielen Orten in Deutschland aus. Und es wird nicht einfacher. Der demografische Wandel führt vielerorts zu einem steigenden Bedarf an Pflege. Pflege, die von Angehörigen oder Pflegediensten übernommen wird. Aber was ist, wenn diese nicht mehr vor Ort sind? Viele Familien sind mittlerweile räumlich getrennt oder es fehlt die Zeit, einen Angehörigen ganztags angemessen zu pflegen. Und die Pflegedienste? Die sind vielerorts vorhanden, aber oftmals schon an den Kapazitätsgrenzen. Hinzu kommt: Die Pflegebranche kämpft mit einem zunehmenden Fachkräftemangel – vor allem in ländlichen Räumen. Und nicht nur das. Auch die Situation der medizinischen Versorgung wird zur Herausforderung. Hausärztinnen und Hausärzte werden vor allem auf dem Land immer weniger. Und auch das Angebot an Fachärztinnen und Fachärzten ist bereits vielerorts ausgedünnt. An wen wenden, bei medizinischen und pflegerischen Fachfragen, wenn keiner mehr da ist?


„Wie kann eine digitalgestützte Versorgung vor dem Hintergrund eines immer stärker werdenden Fachkräftemangels in der Pflegebranche, einer abnehmenden Zahl von Hausärztinnen und Hausärzten in ländlichen Bereichen und einer Zunahme der Pflegebedürftigen aufgrund des demografischen Wandels aussehen?“
Diese Frage stellte sich auch die Stadt Vechta. Um diese zu beantworten, hat sich die Stadt mit der Stadt Lohne zusammengetan und gemeinsam mit weiteren Kooperationspartnern aus dem Pflege- und Gesundheitsbereich das Projekt TELAV ins Leben gerufen. TELAV steht für „Televersorgung im Landkreis Vechta“. Mit dem Projekt möchten die beiden Städte zusammen mit ihren Partnern medizinische und pflegerische Angebote in der Televersorgung identifizieren, erproben und in ein Televersorgungskonzept überführen. Damit soll die Qualität der Gesundheitsversorgung auch in Zeiten von immer mehr Pflegebedürftigen und gleichzeitig weniger Fachkräften gesichert werden.

Am Anfang steht der Bedarf

„Wir haben den Anspruch praxisnah und am Bedarf orientiert zu arbeiten“,
Dr. Christian Vaske, Vita Centrum.

Bevor erste Anwendungen überhaupt erprobt werden können, geht es zunächst darum, den Bedarf zu erheben. Hier setzt das Projektteam bei den Akteurinnen und Akteuren aus der pflegerischen und medizinischen Versorgung im Landkreis an. Mit Unterstützung des Fachbereichs Pädagogische Psychologie an der Universität Vechta werden diese zu ihren Erfahrungen mit telemedizinischen und -pflegerischen Lösungen und ihrem Bedarf an digitaler Vernetzung und digitalem Austausch befragt.

„Unser Kontakt mit den Hausärzten ist meist sehr gut und vieles kann persönlich geregelt werden. Aber zum einen stellt sich mit Blick auf das Alter der Hausärzte die Frage, wie lange die Versorgungssituation so bleibt, zum anderen sieht es bei den Fachärzten anders aus. Sie sind rar gesät, eine Nachfrage auf dem kurzen Dienstweg nicht ohne weiteres möglich. Da könnte ein standardisierter, internetbasierter und datensicherer Austausch helfen.“
Erste Einschätzungen von Cornelia Ostendorf von der St.-Hedwig-Stiftung, die in Vechta, Visbek, Goldenstedt und Bakum ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen betreibt.

Junge Ärztin untersucht Röntgenbilder bei Online-Konsultation vom Heimbüro aus
Junge Ärztin untersucht Röntgenbilder bei Online-Konsultation vom Heimbüro aus Quelle: Westend61 / VITTA GALLERY

Auch die zu Pflegenden selbst und ihre Angehörigen stehen im Fokus. Mithilfe von persönlichen Interviews, einer Online-Befragung und einer geplanten Abfrage über den Pflegestützpunkt in Vechta möchte sich das Projektteam auch bei dieser Zielgruppe einen Überblick über deren Bedarf verschaffen, um praxisnahe Angebote ableiten zu können.

Digitale Sprechstunde – nah an den Zielgruppen

Die Bedarfserhebung wird keinesfalls mit der Befragung abgeschlossen sein. Auch während der weiteren Umsetzung des Projektes haben Bürgerinnen und Bürger sowie Pflegedienste, Haus- und Fachärztinnen und -ärzte oder andere Fachkräfte aus der Gesundheitswirtschaft die Möglichkeit, sich über das Projekt zu informieren und ihre Perspektiven einzubringen. Hierzu wird von den Städten und dem Vita Centrum auf der Projekthomepage eine entsprechende Möglichkeit bereitgestellt.

Umsetzung – Vom Bedarf zu möglichen Anwendungen

Aus den Bedarfen werden in Workshops eine Televersorgungsstruktur und konkrete Anwendungen abgeleitet, die direkt in der Praxis in Szenarien mit ausgewählten Personen und Institutionen getestet und erprobt werden. Dabei werden die vorhandenen Infrastrukturen wie Breitband und Mobilfunknetze sowie aktuelle telematische Entwicklungen bestmöglich berücksichtigt. Denn: die Anwendungen sollen den Arbeitsalltag erleichtern und nicht erschweren. Deshalb werden vor allem bereits etablierte digitale Lösungen eingesetzt und keine neuen entwickelt. Wichtige Fragen dabei sind zum Beispiel: Ist die Software geeignet, um alle Beteiligen zu vernetzen? Wie kann eine Beratung nur per Video stattfindet? Wie ist die Akzeptanz solcher Fernhilfen? Wer trägt die Kosten und wie erfolgt die Abrechnung?
Während der Testphase werden Antworten auf diese und weitere Fragen sowie Erfahrungen gesammelt und ausgewertet. Die Ergebnisse werden regelmäßig in Workshops mit den Kooperations- und Netzwerkpartnern diskutiert und fließen in die weitere Erprobung der Anwendungsszenarien ein.

Das Ziel: Ein Televersorgungskonzept nicht nur für den Landkreis Vechta

Die Ergebnisse der umfangreichen Testphase werden in ein Televersorgungskonzept für den Landkreis Vechta überführt. Das Konzept berücksichtigt die strukturellen Rahmenbedingungen vor Ort und die Interessen der beteiligten Personen und Institutionen. Als praxistaugliches Konzept soll es aufzeigen, welche Elemente einer Televersorgung im Kreis Vechta funktionieren können, um langfristig die Qualität der pflegerischen und medizinischen Versorgung zu sichern. Aber nicht nur das: Das Konzept soll auch als Schablone für andere Landkreise dienen, damit diese ihre existierenden Strukturen auf den Prüfstand stellen, eigene Anwendungen ausprobieren und daraus ihre individuelle Televersorgungsstruktur entwickeln können.

Digitalisierung in der Pflege und Medizin

Der Ruf nach Digitalisierung in der Pflege- und Gesundheitsbranche ist nichts Neues. Längst sind Begriffe wie Telemedizin oder Telepflege im Bewusstsein der Akteurinnen und Akteure angekommen. Es gibt bereits viele gute Beispiele dafür, wie medizinische Daten und Informationen in Form von Text, Ton oder Bild dokumentiert oder zwischen den Beteiligten übermittelt und Behandlungen durchgeführt werden können.

Mehr Vernetzung in der Televersorgung

Digitale Lösungen in der Telemedizin und -pflege werden vereinzelt auch im Landkreis Vechta genutzt. Doch Televersorgung im Landkreis Vechta meint vor allem, die Akteurinnen und Akteure untereinander stärker digital zu vernetzen, damit sich diese einfacher austauschen können. Im Fokus stehen nicht nur die Vernetzung zwischen den professionellen Akteurinnen und Akteuren aus dem Pflege- und Gesundheitsbereich, sondern auch zwischen diesen und den zu Pflegenden und ihren Angehörigen. Denkansätze und erste Ideen gibt es bereits: Ärzte, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen könnten zum Beispiel digitale Daten, Videos oder Fotos von Pflegenden und Angehörigen sowie ggf. von den zu Pflegenden selbst erhalten, um Diagnosen stellen oder Therapien besprechen zu können. Oder: Angehörige können einen Pflegedienst oder einen Facharzt per Video kontaktieren, um Hilfe bei der Pflege zu erhalten oder eine Einschätzung zu einer Diagnose zu bekommen. Das Pflegepersonal oder Ärzte könnten dadurch entlastet werden oder Pflegende vor Ort auf diesen Wegen schnellere Rückmeldungen erhalten.

Aber: Digitalisierung ist nicht alles. Die digitalen Lösungen sollen keinesfalls reguläre medizinische und pflegerische Leistungen ersetzen. Die Arbeit am und mit dem Menschen muss weiterhin im Fokus stehen. Digitalisierung kann aber helfen, Prozesse zu erleichtern und Arbeitsaufwände zu reduzieren. Denn digitale Lösungen sind teils schneller und kostengünstiger – ein zentraler Mehrwert gerade für den Einsatz im ländlichen Raum, wo die Mobilität der Menschen eingeschränkt und das Angebot an pflegerischen und medizinischen Diensten abnimmt. Bestenfalls entsteht hierdurch mehr Zeit. Zeit, um sich wieder mehr den zu Pflegenden zu widmen.

Die Städte Vechta und Lohne haben sich in Kooperation mit dem Landkreis und der Gesundheitsregion zusammengefunden, um mit verschiedenen Partnern aus der Gesundheitsbranche gemeinsam die Potenziale einer digitalgestützten Vernetzung im Rahmen einer Televersorgungsstruktur zu diskutieren, deren Chancen und Möglichkeiten im Zuge von ausgewählten Anwendungsszenarien zu erproben sowie zu evaluieren und abschließend in ein Televersorgungskonzept zu überführen.
Das Televersorgungskonzept soll sich mit der Sicherstellung der pflegerischen und medizinischen Versorgung in ländlichen Räumen auf Grundlage der Potenziale einer digitalen Vernetzung befassen. Es wird eine Antwort auf die Frage gesucht, wie eine digitalgestützte Versorgung vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels in der Pflegebranche, einer abnehmenden Zahl von Hausärztinnen und Hausärzten in ländlichen Bereichen und einer Zunahme der pflegerisch-medizinischen Bedarfe durch den demografischen Wandel aussehen kann.
Neben den relevanten Akteurinnen und Akteuren aus der Gesundheitsbranche werden ferner die Erwartungen und antizipierten Potenziale seitens der pflegenden Angehörigen als größte Gruppe von Pflegenden mit in die Ausgestaltung einfließen.

Autor: Florian Langguth (SPRINT)

Keyfacts

Kooperations- und Netzwerkpartner im Projekt
Die Städte Vechta und Lohne haben viele relevante Partner aus der Pflege- und Gesundheitsbranche mit ins Boot geholt. Die Kooperationspartner sind:

Die Partner bringen ihre Expertise in das Projekt ein und übernehmen wichtige Aufgaben im Projekt. Sie werden sich regelmäßig zu den Ergebnissen und Erfahrungen austauschen und gemeinsam die nächsten Schritte abstimmen.

Darüber hinaus werden weitere Institutionen als Partner eingebunden, die dem Projektteam mit ihrer Expertise und ihrem Erfahrungswissen zu Seite stehen. Diese sind:

Ein Programm des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) in Zusammenarbeit mit Bild-Dokument für das Frontend