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Schmickbild - Ausschnitt einer Karte

Wie wirkt sich die Ansiedlung von Behörden auf strukturschwache Regionen aus?

Im Vorhaben „Ansiedlungen von Behörden in strukturschwachen Regionen“ untersuchte ein Forschungsteam des ifo Instituts die Ansiedlung von Behörden in Regionen mit besonderem Förderbedarf als Instrument der Strukturförderungspolitik. Das Ergebnis des vom BMI-geförderten Vorhabens ist eine wissenschaftliche Studie, die als BBSR Online Publikation veröffentlicht wurde. In der Studie wertete das Forschungsteam die wissenschaftliche Literatur zu Behördenverlagerungen aus und untersuchte die Verteilung von Bundesbehörden in Deutschland (siehe Abbildung 1). Die Ergebnisse zeigen eine deutliche Ungleichverteilung: Im Jahr 2020 arbeiteten nur 6 % der Bundesbeschäftigten im peripheren Raum, in dem jedoch 25 % der Bundesbürgerinnen und Bürger wohnen.

Für die Neuansiedlung von Behörden in Deutschland ergab die Analyse der wissenschaftlichen Literatur, dass die Größe der Behörde, die potentielle Integration in die lokale Wirtschaft und die Struktur des Arbeitsmarktes in der Zielregion wesentlich für den Erfolg einer Ansiedlung sind. Die diskutierten Forschungsarbeiten wiesen auf positive, aber eher schwache Multiplikatoreffekte auf die Beschäftigung im Privatsektor hin, lieferten jedoch kaum Hinweise auf eine Auswirkung auf die lokale Bevölkerungsentwicklung oder auf öffentliche Investitionen in die lokale Infrastruktur. Um die Effekte von Behördenansiedlungen auf die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in einer Zielregion zu ermitteln, ist daher weitergehende Forschung notwendig. Ein wesentliches Hindernis für die Forschung zur Wirksamkeit von Dezentralisierungsstrategien in Deutschland ist jedoch die mangelnde Verfügbarkeit von Daten zur geographischen Verteilung von Behörden und ihren Beschäftigten. Als ein Ergebnis des Vorhabens entstand somit der Appell an die Politik, umfassendere und detailliertere Daten zu erfassen und somit regionalökonomische Forschung mit modernsten Methoden zu ermöglichen.

Deutschlandkarte: Verteilung von Beschäftigten in Bundeseinrichtungen nach geografischer Lage
Quelle: ifo Institut / Bundesregierung – Drucksache 19/18600 (2020) / Digitale Geodaten: Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (2021)

Abbildung 1: Verteilung von Beschäftigten in Bundeseinrichtungen nach geografischer Lage.
Quelle: Bundesregierung – Drucksache 19/18600 (2020). Digitale Geodaten: Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (2021): Verwaltungsgebiete 1:25.000 (Ebenen), Stand 01.01. BBSR Bonn 2021.

Das Herzstück der Studie bildeten Erkenntnisse aus vier Fallstudien, anhand derer Chancen und Herausforderungen für die Ansiedlungen von Behörden in Regionen mit Förderbedarf herausgearbeitet wurden. Das Forschungsteam führte im Rahmen der Fallstudien Interviews und Umfragen an den Behörden und Standortregionen durch. Eines der Fallbeispiele ist das Amt für Ländliche Entwicklung Oberpfalz.

Regionale Arbeits- und Ausbildungsplätze durch Behördenansiedlungen am Beispiel der Oberpfalz

Als das Amt für Ländliche Entwicklung (ALE) Oberpfalz 2013 von Regensburg nach Tirschenreuth an den nordöstlichen Rand Bayerns verlagert wurde, stand die Amtsleitung vor standortbedingten Herausforderungen bei der Personalgewinnung. Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit von Fachkräften in der strukturschwachen Region konnte der Bedarf an spezialisierten Vermessungstechnikerinnen oder Bauingenieuren nicht gedeckt werden. Um Nachwuchskräfte zu rekrutieren, hat das ALE Oberpfalz nach 20 Jahren erstmals wieder Ausbildungsplätze geschaffen. In Ausbildungsmessen und durch den eigenen „Tag der offenen Tür“ wurden gezielt Ausbildungsbewerberinnen und -bewerber aus der Region um Tirschenreuth angesprochen und gewonnen. So wurden durch die Ansiedlung am neuen Standort attraktive Arbeitsplätze für junge, heimatverbundene Menschen geschaffen. Gleichzeitig konnte das ALE Oberpfalz trotz der Herausforderungen der Verlagerung jüngere Beschäftigte einstellen und so langfristig seine Personalstruktur diversifizieren.

Als besonders gelungene Maßnahme zur Stärkung des ländlichen Raums wurde der Studiengang „Geoinformatik und Landmanagement“ an der nahegelegenen Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Amberg-Weiden gegründet. Neben dem Amt für Ländliche Entwicklung wurden seit 2015 weitere Behörden der Vermessungsverwaltung im Rahmen der Bayerischen Heimatstrategie in die Oberpfalz umgesiedelt. Die Ämter können nun auch für höhere Qualifikationsebenen lokale Ausbildungsplätze in der Form dualer Studienplätze bieten. Beschäftigte des ALE Oberpfalz, die als Lehrkräfte an der OTH tätig wurden, haben gemeinsam mit der OTH für die Behördentätigkeit relevante Forschungsprojekte entwickelt. Durch die Kooperation mit der Hochschule und Synergieeffekte mehrerer Behördenansiedlungen wurden neue und attraktive Ausbildungsmöglichkeiten für junge Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger in der Zielregion geschaffen und ein bestehender Hochschulstandort gestärkt.

Die Zufriedenheit der Beschäftigten mit der Ansiedlung zeigte sich auch in der Umfrage, die das Forschungsteam im Sommer 2021 am Amt für Ländliche Entwicklung durchführte. Von knapp 150 Beschäftigten nahmen rund drei Viertel an der Befragung teil und beantworteten unter anderem Fragen zu ihrer persönlichen Bewertung der Ansiedlung (siehe Abbildung 2). Zwei Drittel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer (66%) nahmen die Ansiedlung acht Jahre nach ihrer Umsetzung positiv oder eher positiv wahr, nur ein geringer Teil (17%) stand der Ansiedlung negativ oder eher negativ gegenüber.

Kreisdiagramm: Bewertung der Ansiedlung des ALE Oberpfalz
Quelle: ifo Institut

Abbildung 2: Bewertung der Ansiedlung des ALE Oberpfalz;
Anmerkung: Darstellung des ifo Instituts. Quelle: Online Befragung der Beschäftigten des ALE Oberpfalz, N=110.

Die Umfrage bestätigte auch die Ergebnisse der durchgeführten Interviews, dass durch die Ansiedlung neue Arbeitsplätze in der Region geschaffen wurden und somit die lokale Konsumnachfrage gestärkt wurde. Fast alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben an, in der Oberpfalz zu wohnen. Wie Abbildung 3 zeigt, haben Beschäftigte, die schon vor der Verlagerung am ALE Oberpfalz tätig waren, ihre Wohnstandorte zumindest teilweise aus dem Ballungsraum Regensburg in Richtung des neuen Standortes verlegt. Beschäftigte, die nach der Verlagerung eingestellt wurden, hingegen wohnten nahe am Amt in Tirschenreuth und den umliegenden Landkreisen (Stand Sommer 2021). Fast alle der an der Umfrage teilnehmenden Beschäftigten (90%) gaben an, auch aus der Oberpfalz zu stammen. 34% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer stammten aus dem Landkreis Tirschenreuth.

Durch die Ansiedlung wurden somit erfolgreich attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst in der Heimatregion geschaffen.

Zwei Karten im Vergleich: Geographische Verteilung der Beschäftigten des ALE Oberpfalz nach Wohnort und Beschäftigungsbeginn
Quelle: ifo Institut, Digitale Geodaten: Open Street Map

Abbildung 3: Geographische Verteilung der Beschäftigten des ALE Oberpfalz nach Wohnort und Beschäftigungsbeginn;
Bemerkung: Darstellung des ifo Instituts. Die linke Karte zeigt den Wohnort der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage, die vor 2013 eingestellt wurden, die rechte Karte den Wohnort derer, die seit 2013 beschäftigt sind.
Quelle: Digitale Geodaten: Open Street Map, Stand: 07.11.2020. Angaben zum Wohnort (PLZ): Online Befragung der Beschäftigten des ALE Oberpfalz, N=110.

Autorin: Anina Harter

Keyfacts

Die Ansiedlung des ALE Oberpfalz in Tirschenreuth ist ein Beispiel für eine gelungene Vernetzung der Behörde mit der Zielregion. Diese erfordert jedoch bestimmte Rahmenbedingungen und ist nicht automatisch gegeben, wie beispielsweise die Fallstudie zur Ansiedlung des Umweltbundesamtes in Dessau-Roßlau zeigt. Weitere Informationen zu Chancen und Herausforderungen von Behördenansiedlungen sind in der BBSR Online Publikation zum Vorhaben „Ansiedlung von Behörden“ zu finden.

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