Digitale Kulturbühne
Ein wichtiger Baustein für gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland ist die Möglichkeit zur kulturellen Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger. Zur Verbesserung der Teilhabe am kulturellen Leben in strukturschwachen, ländlichen Regionen wird modellhaft eine Veranstaltungsreihe umgesetzt, in der für das lokale Publikum attraktive, digital übertragene, kulturelle Inhalte angeboten und in einen lokalen Rahmen eingebunden werden. Für die Übertragbarkeit des Ansatzes auf weitere Regionen wird ein Werkzeugkasten erstellt.
Ausgangslage
Ob sich „Digitale Kulturbühnen“ als zielführendes Instrument zur Sicherstellung von kultureller Teilhabe in strukturschwachen, ländlichen Regionen eignen und damit einen Beitrag zur Schaffung von gleichwertigen Lebensverhältnissen in Deutschland leisten können, wird die Umsetzung des neuen Pilotvorhabens zeigen.
Die Bundesregierung hat in ihrem Beschluss vom 10. Juli 2019 zur Umsetzung der Ergebnisse der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ ihr Ziel bekräftigt, mit ihrer Politik die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilregionen Deutschlands voranzubringen, bestehende Disparitäten zu verringern und deren Verfestigung zu verhindern.
Dieses Vorhaben ist eines von mehreren Projekten zum Thema „Demografischer Wandel, regionale und kulturelle Identität“ im Rahmen des Programms Region gestalten, das vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) umgesetzt wird.
Umsetzung
Im ersten Schritt wurde ein passender Ort für die Umsetzung der Digitalen Kulturbühne identifiziert. Dafür wurden zunächst verschiedene Regionen einer Untersuchung unterzogen. Betrachtet wurden die Bevölkerungsdichte, die Entfernung zu den nächsten Oberzentren, in denen es ein breit gefächertes Kulturangebot gibt, die Steuereinnahmekraft und die Bevölkerungsentwicklung. In den potenziell in Frage kommenden Regionen wurden im nächsten Schritt geeignete Kommunen, die einen entsprechenden Veranstaltungsort vorweisen, mittels Internet- und Telefonrecherche untersucht. Dabei wurden auf die vorhandenen kulturellen Veranstaltungen im Ort pro Jahr, die vorhandenen Orte der Kulturnutzung (Museen, Kultur-Cafés), die Vereinsdichte allgemein und die der Kulturvereine, die Anzahl der Veranstaltungsorte, die Leistungsfähigkeit der Internetverbindung, das Einzugsgebiet und die Kapazität des potenziellen Veranstaltungsorts unter Corona-Bedingungen geachtet. Insgesamt wurden so zwölf Kommunen in drei unterschiedlichen Landkreisen in die Auswahl genommen und geprüft.
Die Entscheidung fiel dann auf den Flecken Delligsen im Landkreis Holzminden (Niedersachsen) mit rund 7.700 Einwohnenden. Der Festsaal und der Flecken Delligsen wiesen ideale Bedingungen für die Umsetzung der Studie Digitale Kulturbühne auf.
Parallel zur Auswahl des Orts wurden geeignete Veranstaltungsformate gesucht. Ursprüngliches Ziel war es, Kulturveranstaltungen aus der Region auszuwählen. Durch die lagebedingten Lockerungen im Kulturbereich und die damit einhergehende Zunahme von Live-Veranstaltungen nahm die Auswahl an gestreamten Formaten rapide ab. Dennoch ist es gelungen, ein abwechslungsreiches Programm für unterschiedliche Zielgruppen zu konzipieren.
Vier unterschiedliche Veranstaltungen
Damit möglichst verschiedene Zielgruppen durch die „Digitale Kulturbühne“ angesprochen werden, wurden vier sehr unterschiedliche Veranstaltungen geplant und durchgeführt: Ein Improvisationstheater, ein Kindertheater, eine Lesung und eine Oper (mehr zu den Veranstaltungen finden Sie im rechten Menü).
Nach coronabedingten Programmänderungen wurden die letzten beiden Veranstaltungen auf März 2022 verschoben. Gleichzeitig wurde die Anzeigenkampagne sowohl im Internet und auf Social Media als auch in den örtlichen Tages- und Monatszeitungen intensiviert.
Im Anschluss an die Veranstaltungen wurde das Publikum jeweils nach seiner Meinung befragt. Durch die Befragung soll u. a. herausgefunden werden, ob die Digitale Kulturbühne eine gute Ergänzung des Kulturprogramms in ländlichen, strukturschwachen Regionen darstellt und ob sich die Untersuchungsergebnisse auf andere Regionen übertragen lassen. Die Auswertung dieser und weiterer Befragungen und Beobachtungen fließt in die Erstellung eines Leitfadens ein, der der interessierten Öffentlichkeit wie beispielsweise Vereinen, Kommunen oder Kulturveranstaltenden zur Verfügung gestellt wird.
Ziel
Mit vielfältigen Ansätzen der Heimatpolitik und der Regionalentwicklungspolitik will die Bundesregierung ein zukunftsfestes, nachhaltiges Deutschland gestalten, in dem der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt wird und der Mensch im Mittelpunkt steht.
Kultur bietet Anlass für zwischenmenschliche Begegnungen und ist damit ein Medium für soziales Vertrauen und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Besonders in strukturschwachen, ländlichen Regionen ist der Zugang zu „Kultur“ teils schwer erreichbar. Wie schön wäre es, wenn die Bürgerinnen und Bürger ein aktuelles Kulturevent auf einer „Digitalen Kulturbühne“ erleben könnten, ohne den oftmals ungünstig zu erreichenden tatsächlichen Veranstaltungsort besuchen zu müssen.
Die Projektidee wird zunächst als Pilot-Veranstaltungsreihe mit vier Veranstaltungen innerhalb von zwölf Monaten an einem Ort in einer strukturschwachen, ländlichen Region umgesetzt. Digitalisierte Live-Events aus der Region werden vom jeweiligen Veranstalter möglichst zeitgleich oder zeitnah an einen Ort in einer strukturschwachen, ländlichen Region desselben Bundeslandes übertragen. Dafür eignen sich bspw. Konzerte, Theater, Kleinkunst o. Ä. einer überregional bekannten, aber aus der Region stammenden Institution (Künstler, Orchester, Chor, Schauspiel) mit Zugkraft und entsprechendem Identifikationspotential.
Die Erkenntnisse und Erfahrungen bei der Umsetzung der Pilot-Veranstaltungsreihe werden evaluiert. Insbesondere wird die Idee „Digitale Kulturbühne“ als deutschlandweit umsetzbares Angebot geprüft und die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung in anderen Regionen herausgearbeitet.
Basierend auf den Ergebnissen wird ein Werkzeugkasten mit Informationen, Vorgehensweisen und Handlungsempfehlungen für die erfolgreiche Umsetzung der „Digitalen Kulturbühne“ erstellt, der interessierten Kommunen deutschlandweit zur Verfügung steht. Perspektivisch können mit Hilfe dieses Werkzeugkastens mit vergleichsweise geringem finanziellen Aufwand „Digitale Kulturbühnen“ für einen niedrigschwelligen Zugang zur Kultur überall dort dauerhaft etabliert werden, wo es keine ausreichende eigene kulturelle Infrastruktur (Theater, Konzerthäuser, Kinos etc.) in der Nähe (mehr) gibt.